UVEK Verwaltungsgebäude Pulverstrasse, Ittigen

Industriegesellschaft – Dienstleistungsgesellschaft – Pflanzengesellschaft

Situationsplan

Bestehende und neue Verwaltungsgebäude des Bundes treffen auf dem ehemaligen Gurrit-Worbla-Areal auf alte Industriebauten und verwurzeltes Kleingewerbe, Asphalt trifft auf Uferraum, steiler Hangwald auf Schwergewichtsmauern und – an deren Fuss – auf die bebaute Ebene. Was lange ein Manko des Standorts zwischen den Geleisen und dem steilen Hang gewesen war, ist zu seiner neuen Qualität geworden: Ehemals bezugslose Fragmente fügen sich heute zu einem vielgestaltigen Kontinuum ausdrucksstarker Freiräume.

Chronologie:
Wettbewerb 2013, 1. Preis; Fertigstellung: 2020
Bauherrschaft:
Bundesamt für Bauten und Logistik
Architektur:
Berrel Kräutler Architekten
Der Uferraum der Worble wurde zum wertvollen Trockenstandort, weil eine Aufweitung des Flussraums hier nicht möglich war.

Planen mit rollendem Raumprogramm

Seit 2013 ist das Areal in Bewegung: Die zwei damals bestehenden Verwaltungsgebäude sollten ursprünglich um 900 weitere Arbeitsplätze in drei Gebäuden ergänzt werden. Doch durch den laufenden Wandel der Arbeitsformen und der zugehörigen Raumanforderungen ist das Ende des Prozesses bis heute nicht genau absehbar.

Der Entwurf antwortete auf diese Situation mit einem freiräumlichen Baukastensystem: Er fügte das Stückwerk bestehender Elemente und Gestaltungsansätze zu drei Zonen zusammen und schuf in der Kernzone zwei modular eingesetzten Freiraumtypologien: Gassen umfliessen hier alle Baukörper und weiten sich in lockerer Folge zu Plätzen. Umfasst wird diese dichte Mitte von den beiden Landschaftsräumen, Hangwald und Uferraum, die reaktivert und zugänglich gemacht wurden.

So blickt man von der urbanen-industriellen Mitte immer wieder in die Landschaft und von der Landschaft immer wieder in künstliche Landschaftsminiaturen inmitten der Bebauung. Das modulare System lässt für die abschliessende Entwicklung des Gebietes viele Möglichkeiten offen und weist doch in eine klare Richtung.

Der innovative Blick zurück

Der entscheidende freiraumgestalterische Paradigmenwechsel lag in der Rückbesinnung auf den Bestand – das Besondere daran jedoch war die neue Perspektive: inklusiv statt exklusiv. Die neue, übergreifend gedachte Freiraumgestaltung knüpfte an die Freiräume des bestehenden Campus von Raderschallpartner von 2005 an, sie nahm die Themen der umgebenden Naturräume, aber auch die der industriellen Geschichte auf – und kultivierte mit all diesen Elementen bis in den Kern der Anlage hinein eine neue Offenheit, die angrenzende Naturräume ebenso wie die bauliche Nachbarschaft einbindet und respektiert.

Wo bislang Altes überschrieben worden war, legte der neue Entwurf es frei und integrierte es: Bodenbeläge, Schwergewichtsmauern, Naturfragmente – immer wieder treten Relikte der Vergangenheit als sichtbarer Teil des neuen Gefüges in Erscheinung. Das Areal erzählt über den Freiraum die Geschichte seiner eigenen Metamorphose.

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Konzeptskizzen: Skizze 1: Zonierung in die Bereiche Wald, Ufer und Stadt; Skizze 2: Durchwegung; Skizze 3: Die verschiedenen Aufenthaltsbereiche
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Der harte Kern

Sickerfähig asphaltierte Gassen bilden den durchgehenden Stadtboden für die alten und neuen Verwaltungsgebäude – und knüpfen über diesen universellen Boden des Gewerbegebiets an die Strukturen der Nachbarschaft an. Neben den zwei bestehenden Plätzen perforieren heute zwei weitere Platz-Intarsien die versiegelte Oberfläche mit grosszügigen, urbanen Freiflächen. Mit ihrem kiesig-ruderalen Charakter nehmen sie Bilder – und ökologische Werte – der Industriebrache auf. Damit geben sie zugleich zeitgemässe Antworten auf aktuelle Fragen wie Kühlung, Klimaresistenz der Pflanzen, Versickerung bei Starkregen und Wasserversorgung bei Hitze. Unter dem Kies liegen grosse Retentionsflächen. Darüber liegen zwei Welten mit unterschiedlicher Ausstrahlung und Aufenthaltsqualität: Der schattige Wald-Platz mit seinem dichteren, doch immer noch begehbaren Unterwuchs und der südlich anmutende Zerreichenplatz mit seiner kargeren Ästhetik.

Baukörper oder Baumkörper?

Am geplanten Standort des dritten Neubaus, dessen Realisierung noch unsicher ist, zeichnet eine scharf geschnittene Hecke aus Feldgehölzen die vorgesehene Gebäudekontur vor. Der Sockel des Gebäudes wurde mit der darunterliegenden Tiefgarage für das Gesamtareal bereits gebaut. Bis auf Weiteres bildet er die Umfriedung eines wilden Gartens: Nach innen lösen sich die scharfen Kanten der Schnitthecke zu einer gemischten Wildhecke auf. Ein Gitterrost stellt den zentralen Durchgang durch die frei wachsenden Gehölzschicht sicher, Wege führen von hier in kleine Gartenzimmer als weiteres Freiraumangebot für das Areal. Wie Skulpturen stehen die Kuben der künftigen Treppenhäuser des Gebäudes, ebenfalls schon mit der Tiefgarage gebaut, in der Wildnis. Wird das Gebäude nicht realisiert, so darf der Garten als Sukzessionsraum weiterbestehen: Die Feldahorne, die bis zu 15 Meter hoch werden können, werden das geplante Bauvolumen dann mit ihrem Kronenvolumen ersetzen, die Flora im Innern kann sich frei entwickeln – die Fauna wird die Nutzerschaft stellen.

Naherholung im wahrsten Wortsinn

Von aussen ziehen heute die Grünräume bis an die Gebäude, betten den gebauten Raum in die Landschaft und heben so die frühere Trennung von Landschaft und Siedlungsraum auf. Der Wald auf der einen und der Uferraum auf der anderen Seite wurden aufgewertet und zugänglich gemacht – sie ergänzen den Freiraum im Areal um wertvolle Erholungsräume in unmittelbarer Nähe. Der, steile früher unzugängliche Hangwald wurde durch einfache Wege erschlossenen. Erreichbar ist er über eine Treppe, die mitten durch die alten Schwergewichtsmauern führt und so nicht nur den Wald, sondern auch das mächtige Ingenieurbauwerk erlebbar macht. Weil an der Worble eine Gewässeraufweitung unmöglich war, entstand hier ein ungewöhnlicher Uferraum: ein Trockenstandort am Wasser. Fusswege und der Veloweg nach Bern führen durch diese nur auf den ersten Blick karge Kiesebene mit Gehölzgruppen wie Faulbaum, Zitterpappel, Sanddorn und Hasel.

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Hartnäckigkeit mit Wirkung

Während der ökologische Ansatz bei der Bauherrschaft offene Türen einrannte, erforderte das Konzept der Metamorphose mit dem Erhalt alter Elemente Überzeugungsarbeit. Gestalterische Hartnäckigkeit, die sich aus heutiger Sicht gelohnt hat. Denn gerade die Kombination dieser beiden Aspekte legte die spezifischen Qualitäten des Standorts frei. Der innovative, ökologische Holzbau der Gebäude hat ein angemessenes freiräumliches Pendant erhalten.

Fotos:
Hannes Henz (Bilder 2 bis 6, 9 und Slider-Bilder 1,3,4,5)
Damian Poffet (Bild 1,7,8 und Slider-Bilder 2,6)