Bell-Areal, Kriens

Von der verbotenen Stadt zur lernenden Stadt

Schwarzplan

Über 160 Jahre war das Bell-Areal ein weisser Fleck auf dem Stadtplan von Kriens. Und doch hatte das in sich geschlossene Industrieareal durch seine Grösse, seine wirtschaftliche Bedeutung und durch das Engagement der Gründerfamilie grundlegenden Einfluss auf das Stadtbild und -leben rundum. Nun wird die Enklave bis 2032 zum offenen Stadtteil. Einmal mehr wird das Bell-Areal Kriens – in neuer Weise – wesentlich prägen. Denn die Öffnung bedeutet für die Kleinstadt einen substanziellen Zuwachs an entwicklungsstrategisch zentraler Lage.

Chronologie:
Studienauftrag mit Präqualifikation, 2020, Empfehlung zur Weiterbearbeitung; Fertigstellung in Etappen bis 2032
Bauherrschaft:
Logis Suisse AG, Steiner AG
Zusammenarbeit:
Architektur: GWJ Architektur; Städtebau: Güller Güller architecture urbanism; Sozialraumplanung: Martin Beutler; Verkehrsplanung: mrs partner

Aufbruch in die nächste Bell-Époque

Im Bewusstsein um seine historische und künftige Bedeutung für Kriens soll das neue Stadtstück – auch dank der gemeinnützig orientierten Bauherrschaft – nicht aus dem Boden gestampft werden. Vielmehr bilden umgenutzte Industriehallen die Kondensationskeime der Entwicklung. Um sie herum soll das Quartier schrittweise wachsen. Der Prozess wird nicht nur den Geist der Bell-Zeit und den Charme der Belle-Époque in die Zukunft tragen, sondern auch die Bedürfnisse der Nutzerschaft laufend in die die weitere Planung einspeisen.

Die sichtbare Geschichte wird dem neuen Quartier seine Verwurzelung geben. Neue wie alte Gebäude und Freiräume orientieren sich am industriellen Massstab und Charakter. Er wird die Atmosphäre bestimmen und Raum für verschiedenste Lebens- und Arbeitsweisen bieten. Die Prinzipien der lernenden, partzipativen Planung werden dem Areal im Zusammenspiel mit der Gestaltung der Erdgeschosse und ihrer Vorzonen das Leben eines gewachsenen Stadtstücks einhauchen.

Massgefertigter Stadtbaustein

Die Stadt und das Bell-Areal sollen in einem gelenkten Reifungsprozess zusammenwachsen. Der neue Stadtteil fügt sich wie ein massangefertigtes Puzzlestück in seine Umgebung: Von innen heraus baut er auf der Logik und Struktur des alten Industrieareals auf; nach aussen, an den Übergängen zur Stadt, findet er individuelle, verbindende Antworten auf sein Umfeld.

Im Süden, wo eine städtebauliche Engstelle und eine wichtige Verkehrsachse es nahelegen, entsteht mit dem Bereich Stadtplatz die öffentlichste Zone: Das Bell-Tor und die angrenzenden Plätze werden zum neuen Knotenpunkt zwischen der Stadt, dem Bell-Areal und dem Kulturquadrat, einem ebenfalls umgenutzten Industriebau auf der Nachbarparzelle. Im Osten wird der Weg zum Sonnenberg zur grünen Esplanade. Ihr Baumkronendach verbindet den Naherholungsraum am Berg mit dem Zentrum in der Ebene und verwebt die Stadt mit ihrem neuen Stadtteil.

Im Kern des Industrieareals bleibt die Bell-Welt am deutlichsten spürbar. Hier wird im verdichteten Industriequartier in ungewöhnlichen Formen und Konzepten gewohnt, gearbeitet und gelebt. Das industriell geprägte Wohn-Gewerbe-Gebiet fügt sich logisch an das bestehende städtische Wohnquartier mit den alten Meisterhäusern an.

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Sechs Prinzipien, drei Mileus

Der städtebauliche Entwurf bricht die Komplexität einer wachsenden und stetig aus den sich wandelnden Bedürfnissen lernenden Stadt auf sechs Prinzipen herunter, die nicht einengen, sondern einen Möglichkeitsrahmen schaffen – die Atmosphären und Charaktere definieren, aber Spielraum für deren individuelle Interpretation lassen. Sie sind das Regelwerk für die konkreten Räume und Milieus: Der Bereich "am Stadtplatz" ist von grosszügigen öffentlichen Platzen geprägt, der Bereich "Mitte" von mächtigen Industrie- und Neubauten, breiten Erschliessungs- und Wohngassen und Quartierplätzen, der Bereich am Sonnenberg von Flanier- und Aufenthaltsräumen unter Bäumen.

Belebende Schwellenräume

Eine Besonderheit der Planung ist der fein austarierte Bezug von Innen- zu Aussenraum. Verschiedene Arten von Schwellenräumen regen unterschiedliche Formen der Aneignung und Nutzung an. Sie sind darauf ausgelegt, sich mit Erfahrungen und veränderten Bedürfnissen wandeln zu können. In den Gassen mit öffentlicheren Erdgeschossnutzungen sind die Übergänge unmittelbar und ebenerdig, Bodenbeläge zeigen privatere und öffentliche Zonen an. Vor bewohnten Erdgeschossen bilden Stufen oder breite, erhöhte Freiraumbänder eine explizitere, doch immer noch offene Abgrenzung zwischen den privaten Hochparterres und der öffentlichen Bodenebene. So beleben die gebäudenahen Bereiche ihr Umfeld, ohne es zu dominieren

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Freiraum als Gerüst

Statt des gängigen Schwarzplans liegt der Transformation des Bell-Areals ein 'Weissplan' zugrunde: Nicht die Gebäude, sondern die Freiräume geben das Gerüst für die Baumassnahmen vor. An Klimasimulationen geprüft, gewährt diese Struktur auch angesichts des Klimawandels ein verträgliches Lokalklima. Vorgegeben werden in den  Freiräumen nur die Grundgestaltung, Charakter und Atmosphäre, das Mass an Begrünung und Versiegelung. Die Zonierung ersetzt explizite Abgrenzungen, macht öffentlichen, gemeinschaftlichen und privaten Raum unterscheidbar. Gebäudenahe wie öffentliche Bereiche stehen dem Wandel offen: Zwischennutzungen und Partizipationsprozesse liefern die nötigen Anstösse und Erkenntnise, um die Entwicklung laufend nachzujustieren. Das nicht planbare Leben hat seinen festen Platz in der Planung.