Landhaus Bocken, Horgen

"Der stille poetische Reiz der Landschaft im Garten"

Originalplan des Gartens von 1914 von Paul Schädlich

Die Reichhaltigkeit von über 300 Jahren Gartengeschichte für die Zukunft zu bewahren und zu beflügeln: Das hiess im Fall des Landhauses Bocken nicht, Althergebrachtes in Stein zu meisseln. Sondern vielmehr, den stetigen Wandel dieses ungewöhnlichen Gartens in seiner ganzen Tiefe zu begreifen und weiterzuführen – mit Feingefühl für Struktur und Atmosphäre, für Raum und Zeit und nicht zuletzt für die sinnlichen und technischen Qualitäten der alten Bausubstanz

Chronologie:
Direktauftrag 2011, Fertigstellung 2012, seither fortlaufende Betreuung
Bauherrschaft
Credit Suisse
Zusammenarbeit
Gartendenmalpflege: Steffen Osoegawa, Zürich; Sanierung Mauerwerk: mattec, Schinznach-Dorf

Eine unkonventionelle Gartengeschichte

Kur- und Badehaus, Trinkhalle und Ausflugsziel, privater Wohnsitz: Das Landhaus Bocken hat in seiner über 300-jährigen Geschichte viele Nutzungen beherbergt und das war auch im Freiraum immer deutlich sichtbar: Zunächst Weinberg, später Biergarten und Erholungsraum für Kurgäste, wurde er schliesslich zum Familiengarten. 2011 galt es einmal mehr, den Garten des alten Anwesens für seine heutige Nutzung, ein Kongress- und Seminarzentrum, bereit zu machen. Gartendenkmalpflege hiess hier mehr als in anderen historischen Anlagen Neugestaltung, denn der Garten war nicht nur durch Umbauten, Verwaldung, Wachstum und Verfall verunklärt. Er liess sich auch nicht auf ein einziges Vorbild zurückführen. Vielmehr erwies er sich als eine einzigartige Sammlung von Fragmenten verschiedener Zeiten und Stile. Diese Fragmente galt es wiederzubeleben und entsprechend den heutigen Anforderungen zu einem neuen Ganzen zu verbinden.

Reformgarten als Puzzle

Das heutige Gartendenkmal von 1914 geht auf einen Entwurf des deutsch-Zürcher Gartenarchitekten Paul Herrmann Schädlich im Stil des Reformgartens zurück. Doch die gartendenkmalpflegerische Untersuchung brachte zutage, dass auch Schädlich schon aus der Geschichte des Ortes geschöpft hatte: Der Bockenweg, ein spätmittelalterlicher Pilgerweg der beim Bau des Landhauses im 17. Jahrhundert in den Garten integriert worden war, blieb in Schädlichs Entwurf erhalten. Ebenso die Blutbuchenallee, das heute wohl beeindruckendste Relikt aus der Bauzeit. Das Wegenetz im Garten übernahm der Gartenarchitekt aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Teile der heutigen Terrassenanlagen und Kanzeln, aber auch verschiedene Bäume und Beläge sind Relikte der Wirtshausnutzung. Diese Elemente fügte Schädlich zu einem gut nutzbaren, repräsentativen Garten zusammen.

 Einer der Gartenwege in einer Zeichnung Schädlichs
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Derselbe Weg heute mit Blick in die andere Richtung
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Landschaft und Garten – Gegensätze im Einklang

Vier räumlich und in der Nutzung klar definierte Gartenzimmer bildeten die Grundstruktur des Gartens von 1914. Die Sanierung baute auf dieser räumlichen Struktur auf. Sie gab den Zimmern wieder klare Konturen und pflanzliche Themen. Aktuelle Nutzungen und Gartenbilder wurden der bestehenden Struktur zugeordnet, zugewachsene Blickbezüge auf den See und die Glarner Alpen freigestellt, Mauern und Treppen in historischer Bauweise saniert. Differenzierte Ersatz- und Neupflanzungen machen die spezifische Atmosphäre der einzelnen Räume heute wieder spürbar.


Dabei blieben bestehende Bilder und Pflanzengattungen wie Wein, Rosen oder der voralpine Wald aus Lärche und Bergahorn erhalten. Neupflanzungen orientierten sich dagegen an modernen Landschaftsbildern und Sehgewohnheiten wie beispielsweise der vergandenden Alpweide, die Thema der neuen Baumunterpflanzungen ist. So schreibt die Sanierung die Geschichte des Gartens auf Basis von Schädlichs Leitgedanken weiter: ‚Den stillen und poetischen Reiz der Landschaft‘ in den Garten zu holen.

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Historischer Garten als Prozess

Mit der Erkenntnis, dass Wandel eines der wichtigsten Prinzipien dieses Gartens ist, kam das Verständnis, dass er nicht als Objekt, sondern als Prozess zu behandeln ist. Auch künftig wird ORT daher die Entwicklung des Gartens betreuen. Bald steht beispielsweise die Verjüngung der Blutbuchenallee an, deren Bäume ihre Lebensdauer erreicht haben. 

Fotos: Lucas Peters
Zeichnungen unterster Slider: Bild 1: 18. Jh, Federzeichnung von Johann Friedrich von Meiss; Quelle: Jung, Joseph / Renfer, Christian „Der Landsitz Bocken in Horgen“, in: Schweizerische Kunstführer GSK, Bern 1994, Heft Nr. 563-565 – Bild 2: 1775 Federzeichnung, laviert. Das neue Badhaus unterhalb des Landhauses. Quelle: Jung, Joseph / Renfer, Christian „Der Landsitz Bocken in Horgen“, in: Schweizerische Kunstführer GSK, Bern 1994, Heft Nr. 563-565 – Bild 3: Stich von Heinrich Maurer, vor 1836; Quelle: ZBZ graphische Sammlung „Horgen Bocken I.1 oben“, Sign. PpA3 XI.1120.3 – Bild 4: ca. 1860 Prospekt vom Kurort Bocken; Quelle: NZZ Nr. 123 vom 15.3.1970 in: STAZ (Sign. Dc H. 25.1 t) – Bild 5: Postkarte vor 1897: Quelle: Jung, Joseph / Renfer, Christian „Der Landsitz Bocken in Horgen“, in: Schweizerische Kunstführer GSK, Bern 1994, Heft Nr. 563-565 – Bild 6: Foto, 1943; Quelle: Schwarzenbach, Alexis: „Bilder mit Legenden“, Zürich 2005